Noche Cubana
Omara Portuondo & Chucho Valdez
Einmal mehr betreten mit der hochbetagten Sängerin Omara Portuondo und dem grandiosen Pianisten Chucho Valdez zwei Botschafter der Musik Kubas die Bühnenbretter der Wiener Staatsoper.
Foto: Johann Sauty
In ihrem Gepäck hat Omara Portuondo, die regierende, allseits beliebte Queen Mom der kubanischen Musik, ihre neue CD. Treffend heißt sie Omara & Chucho. Chucho, das ist ihr kongenialer Partner auf diesem hervorragenden Album, und Chucho, das ist natürlich der famosen Pianist Chucho Valdez. Und was sie nicht im Gepäck haben, das tragen sie im Herzen: die Liebe zur Musik Kubas, die Lust am Leben und die große Zuneigung zueinander. Dass sie deswegen aber kuschelnd miteinander im Bett liegen, wie es als Fotobeweis auf dem Back-Cover der CD zu sehen ist, muss man nun nicht wirklich glauben.
Heutzutage, wo jeder Mensch natürlich mindestens Pferdeflüsterer, Frauenversteher und großer Kenner der kubanischen Musik ist, fällt es schwer, noch etwas Neues über Omara Portuondo, den Buena Vista Social Club oder über andere Musikgrößen von der Insel im Schatten des amerikanischen Imperiums erzählen zu wollen. Weshalb natürlich die folgenden zehn Begebenheiten aus der wilden Musikwelt Kubas nur etwas für die wahren Experten sind. Als Kuba-Kapuzunder wissen Sie deshalb längst, dass …
1 … das Wort „sabor“ zwar als „Geschmack“ roh übersetzt wird, als Schlüsselbegriff für die kubanische Musik aber vielmehr bedeutet: es meint die Würze des Klanges, die Erotik der Synkope, das Gefühl der Hingabe und Trance, in das die Musiker sich hineinspielen können.
2 … Nick Gold, der Produzent der erfolgreichen Buena Vista Social-Alben die Musik Kubas nicht etwa auf Kuba entdeckte, sondern in Westafrika? In Mali, im Senegal und in Zaire hatte kubanische Musik einen grandiosen Ruf, ausgelöst durch Kreuzfahrtschiffe, deren kubanische Bands auch in den Hotels der Küstenregionen auftraten.
3 … Omara Portuondo als junge Frau im Frauenorchester Anacaona sang, und dass die reinen Frauenorchester, die Orquestas femininas, eine wahre Spezialität Kubas sind?
4 … kubanische Musik keinesfalls so einfach zu machen ist? Die Kuba-Diva weiß, was alles dazugehört: „Bach, Beethoven, Liszt und die Strauß-Walzer waren uns Musikern doch bekannt. Aber wir haben zudem unser Erbe im Blut: Afrika, die Rhythmen, die Kulte, die Bewegungen und die Tänze, das war zusätzlich immer vorhanden, das macht unsere Musik so mitreißend.“ Allein mit Strauß in der Blutbahn wird es folglich etwas schwierig werden, die kubanische Spezialität, den Son, zu spielen.
5 … dank der Verbindungen der Ostblockstaaten untereinander, kubanische Musik mit Omara Portuondo bereits 1971 in Bulgarien erklang? Dass sie 1970 bereits im Jahr davor in Japan sang? Bis zum weltweiten Erfolgsalbum des Buena Vista Social Clubs im Westen brauchte es dann nur noch einige wenige Jahrzehnte.
6 … der amerikanische Bluesmusiker Charlie Musselwhite mit Mitgliedern des Buena Vista Social Clubs 1999 das schöne Album Continental Drifter einspielte? Der bewundernswerte Kuba-Blues-Mix war das schlechtverkaufteste Album in seiner Karriere. In Deutschland wurde im Erscheinungsjahr genau 350 Exemplare verkauft. Anscheinend gibt es Leute mit Scheuklappen auf den Ohren.
7 … die Mutter Omara Portuondo zu ihrer Bühnenkarriere überredete? „Zu den ersten Schritten auf der Bühne des Tropicana hat sie mich drängen müssen. Ich war schüchtern, und habe mich geschämt, meine Beine zu zeigen.“
8 … ihr Vater ein erfolgreicher, aber nicht reicher Baseballpitcher war, ihre Mutter aus einer reichen spanischen Familie stammte, die Großeltern müterlichseits die junge Familie aber aus Standesdünkel verstieß? Dass ihre Eltern zwar keine Instrumente spielten, aber eine große Liebe zur Musik hegten?
9 … kubanische Musiker in den dreißiger Jahren nicht nur ihrem traditionellen Erbe und der Klassik vertrauten, sondern bevorzugt den Jazz von Fats Waller, Billie Holiday oder Cab Calloway hörten?
10 … Wim Wenders, der Regisseur, der den Buena Vista Social Club filmisch verewigte, nicht nur gerne Havannas raucht, sondern zudem auch eine dezidierte Meinung zur amerikanischen Politik hat? „Das wirtschaftliche Embargo der USA macht den Kubanern wirklich das Leben schwer. Die meisten Amerikaner wissen ja gar nicht, wie schlecht es dadurch den Kubanern geht. Es ist ein Anachronismus, dass der Boykott noch intakt ist, obwohl das kleine Land Kuba in keinerlei Weise eine Bedrohung für Amerika ist.“ Große Worte, die 1999 gelassen ausgesprochen, 12 Jahre später wenig an Gültigkeit verloren haben.
Nun bleibt nur noch eine Frage zu klären. Wie heißt die nächste Destination für cubanophile Menschen? Wiener Staatsoper oder Havanna?
(Harald Justin)
Live Jazz Fest Wien: Omara Portuondo & Chucho Valdez 5. Juli 2011, Wiener Staatsoper
Hot stuff CD / Omara Portuondo & Chucho Valdes: Omara & Chucho
Hot stuff CD / Stefon Harris, David Sanchez, Christian Scott: Ninety Miles