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Seun Kuti & Egypt 80

Kutis frohe Botschaft der Energie

New York hat den Broadway, London hat Saddler’s Well. Und Wien hat den Arkadenhof des Wiener Rathauses. Wien hat es besser als London und New York. Denn in Wien spielt Seun Kuti!

Seun Kuti (c: Wolfang Gonaus)

Als der nigerianische Musiker und Politaktivist Fela „Anikulapo“ Kuti 1997 starb, konnte niemand ahnen, dass er im Jahr 2011 im Rang einer Afrobeat-Legende bekannter und beliebter denn je sein würde. Seine CDs sind, anders als zu seinen Lebzeiten, in verschiedenen Boxen-Formaten erhältlich, und im vergangenen Jahr wurde in New York auf dem Broadway das mit Preisen ausgezeichnete Musical „Fela!“ aufgeführt, das im November auch in Londons Saddler’s Well über die Bühne ging. Femi und Seun, die beiden Söhne Fela, zeigten sich begeistert und beteuerten angesichts der Londoner Aufführung, dass sie nun endlich auch ihren langjährigen Familienstreit um das Erbe ihres Vaters beigelegt haben.

Zum Erbe des Vaters gehörte auch die Band und deren Namen. Denn Seun, der jüngere Bruder, hatte sich die Gunst der Band seines Vaters, Egypt 80, versichert und hatte mit ihr getourt. Darf der das, fragte sich der ältere Bruder Femi, hätte nicht ihm als älteren Bruder das Vorrecht auf die Band und den Namen des Vaters zugestanden? Nach kostentreibenden Gerichtsprozessen einigten die Brüder sich und erzählten der Presse, dass sie nun das wahre Erbe ihre Vaters verstanden hätten. Nicht um materiellen Besitz gehe es, sondern um den Zusammenhalt. Das Erbe ihres Vaters sei eben diese spirituelle Botschaft der „Togetherness“.

Wie sich das anhört, lässt Seun Kuti auf überragende Weise auf seinem aktuellen allseits hochgelobten Album From Africa  With Fury: Rise hören und im Rahmen des Jazz Fest Wien auch im Arkadenhof des Wiener Rathauses. Und das ist gut so. Denn Seun macht da weiter, wo sein Vater notgedrungen bei seinem Tod aufhörte. Mit seiner politischen Botschaft zündelt er weiter an korrupten Regierungen in Afrika, besonders in Nigeria. Und seine Musik hält diese Botschaft am Kochen, weil sie in perfekter Weise den Afrobeat seines Vaters ins 21. Jahrhundert holt.

Wie sich so etwa leibhaftig im wunderschönen Arkadenhof anhört? Fantastisch. Woher ich so etwas wissen kann? Weil Seun Kuti bereits schon einmal Gast beim Jazz Fest Wien war, im Jahr 2009. Damals war in meiner Konzertkritik zu lesen, dass das Ensemble von Anfang an auf Rhythmus und dessen Folgen setzte. „Das Interessante an diesem afrikanischen Beat ist, dass er nicht martialisch klingt. Das ist nicht der dumpfe Rhythmus der Drum-Machine, sondern eher ein Gewebe, das sich aus dem Zusammenspiel von allen Musikern ergibt. Jeder Spieler gibt seinen individuellen Anteil zu einem großen Ganzen. Die große Kunst dieser Art der Bandkommunikation kommt erst an ihr Ziel, wenn das Publikum vom gleichen Geist der Musik beseelt wird. Genau das passiert an diesem Abend. Und zwar ohne dass Seun Kuti extra zum Mitklatschen auffordern muss. Bereits nach dem ersten Stück ist kaum noch ein Sitzplatz besetzt. Der Großteil des Publikums bewegt sich im zuckenden Beat von Seun Kutis Band Egypt 80. (…) Die langen Stücke arbeiten mit ihren Grooves nahe entlang der Grenze zur Trance, kein Wunder, dass am Ende des Konzertes viele Menschen ein glückliches Lachen im Gesicht haben.“
Soweit der damalige Konzertbericht. Gibt es irgendwo Zweifel, dass Seun Kuti diesen Erfolg nicht wiederholen kann?

Ich zweifele jedenfalls nicht. Denn ich war im Backstage-Bereich und sah, wie Seun Kuti sein Hemd wechselte. Quer über seinem Rücken prangt ein großes Tattoo. „Es war eine sehr schmerzhafte Prozedur“, lachte er, „aber es hat sich wohl gelohnt.“ Und was bedeutet die Tätowierung? “Sie bedeutet, dass mein Vater immer leben wird. Seine Energie wird immer bei uns sein!“
Dann steht einem energiestrotzenden Abend mit seinem Sohn Seun ja nichts mehr im Wege.
(Harald Justin)

Live Jazz Fest Wien: Seun Kuti & Egypt 80 8. Juli 2011, Rathaus/Arkadenhof
Hot stuff CD / Tamikrest: Toumastin
Hot stuff CD / Mamadou Diabate: Courage