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Reviews

Cyndi Lauper 15.7.2011

Pumuckl-Blues

Wie ein Springinkerl mit roten Haaren hupft sie auf die Bühne der Wiener Staatsoper. Während andere Leute sich in ihrem Alter auf ein ruhiges Pensionistendasein vorbereiten, rockt sie mit Blues das Haus.

Konzertkritiker haben berufsbedingt große Ohren. So hören sie auf Volkes Stimme, das sich in Gestalt eines mittelalten Paares in Richtung der Logen des Wiener Staatstheater bewegt. „Die Lauper soll ja jetzt eine Bluesplatte aufgenommen haben. Hoffentlich singt sie nicht zuviel davon und mehr von den alten Hits. Vielleicht auch unser Lied!“ Bussi, bussi. Zwei Treppen weiter sagt ein junger Bursche zu seiner Freundin: „Vergiss die alten Hits. Sie hat jetzt eine Bluesplatte aufgenommen. Die ist klasse. Mit B. B. King. Die alten Hits gibt’s hoffentlich nur als Zugabe. Die kann ich nicht mehr hören!“ Und vor mir geht ein besonderer Spezi, der neugierig auf das Konzert ist, weil er die Lauper schon so lange kenne, ihr als Fan treu bleiben werde und alle ihre Eskapaden mitmache, ob sie im Gewand von Brecht-Titel oder im Bluesfetzen daherkommen. Als Bluesfrau könne er sie zwar nicht so ernst nehmen, aber er wolle sie wohl auch auf diesen Lebensabschnitt begleiten. Eine Frau meint, dass einige ihrer Hits doch wohl zeitlos seien. „Blues ist auch zeitlos. Das passt doch wunderbar zusammen. Ich freue mich einfach auf das Konzert.“

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So viel Stimmen, und sie alle verstummen erst einmal, um dann sofort in Jubel auszubrechen, als Cyndi Lauper die Bühne betritt. Nein, sie betritt die Bühne nicht, sie sprintet und betanzt die Bühne, vom ersten Moment an. Rote Wuschelhaare, schwarzes Leder, grelle Stimme und voller Körpereinsatz von der ersten Sekunde an. Pumuckl lebt und hat den Blues. Das ist beste Blues-Rock-Schule aus dem Lehrbuch: mit drei, vier schnellen Titeln beginnen, dann ein paar ruhige Hits zum Verschnaufen, dann bis zum Ende mit Dampf und Druck durchmachen, um das Publikum so richtig mit auf die Reise in die gute Launezone zu nehmen.

Genau so macht es Cyndi Lauper. Mit „Just Your Fool“, dem Bluesklassiker von Little Walter beginnt sie, wie auch auf ihrem aktuellem Album Memphis. Gut, sie ist nicht Little Walter, und das Bluesfeeling geht ihr bei diesem Titel ziemlich ab, aber Little Walter ist auch schon tot, und sie macht das Beste aus diesem Titel, indem sie ihn schnell und mit viel Energie spielt. Nach zwei weiteren Titeln dieser Art steht das Publikum auf, die Lauper hat es im Sturmlauf erobert, der sie sogar durch die Reihen und auf die Klappstühle treibt. So muss sie sein, die Kommunikation mit dem Publikum. Bluesfreunde werden sagen, das es genau darauf ankomme: Blues sei eine Kommunikationsform zwischen Musikern und ihrem Publikum.

Vielleicht bleibt Lauper, körperlich immer sehr aktiv auf der Bühne und im Publikum agierend, dann sogar dem Blues treu, als sie ihr Programm nach ihrer Interpretation von Robert Johnsons „Crossroads“ zunehmend mit ihren eigenen Hits versetzt. Bei „Awful Night“ gibt es die ersten Beifallsstürme der „alten“ Fans, die sich in den Armen liegen. Ein Gospel folgt, doch dann kommen die Hits und am Ende der Zugaben stehen natürlich „Time After Time“, „True Colours“ als berührende Solo-Nummer und davor noch eine lange, großartige Zelebration von „Girls Want To Have Fun“, mit einem grandiosen Orgel-Intro und einem noch grandioserem Ruf-Wechselruf-Ritual mit der Lauper als herumhupfender Hohepriesterin. Das Haus rockt.
Ein schönes Konzert. Cyndi Lauper mag zwar nicht der Welt größte Bluessängerin sein, aber sie hat sich ihr Publikum wie eine Bluessängerin erarbeitet. Jubelnde Fans können nicht irren.

Im Backstage-Bereich gilt es erst einmal ihren Gitarristen, Michael Toles, zu begrüßen. Er ist einer der wirklich legendären Session-Gitarristen des Blues und Soul, auf ungezählten Aufnahmen hinter Albert King, Rufus und Carla Thomas und anderen Stax-Soulisten zu hören. „Die Arbeit mit Cyndi mache ihm „fun“, sagt er, „Sie ist wirklich witzig. Er freue sich, mit ihr auf Tournee gehen zu können. „Und das Geld stimmt.“

Einige Minuten später kommt sie aus der Garderobe. Die rote Pumuckl-Perücke ist verschwunden, blonde Strähnchen unter dunklem Haupthaar locken, und die 57jährige Berufsjugendliche ist erschöpft, aber glücklich und freundlich. Sie bekommt das Stück mit Schweiß, Blut und Ehre getränkte Bühnenboden überreicht und ist sichtlich gerührt, als Dr. Springer, Herr des Hauses, ihr zudem das erste Glas Honig aus eigener Bienen-Opernhaus-Produktion überreicht. „Sie müssen unbedingt wiederkommen!“ Aus seinem Mund klingt das fast wie ein Befehl. Dem Publikum (und ihr) würde ein zweiter Wienbesuch sicherlich gefallen.

Sorgen musste ich mir an diesem Abend nur noch um den Typen machen, der seit Tagen mit einem Kanister Benzin in meinem Stadtpalast herumlungert. Trotz der Wunderkraft seines Dritten Auges konnte Ben-Tzi Droan mir nichts über seine Pläne verraten. „Er sieht“, sagte ich, „aus wie Jerry Lee Lewis. Vielleicht will er unser kleines, deiner Stirn entsprungenes Klavierchen anzünden. So wie es Jerry Lee mit seinen Klavieren gemacht hat! Ist er ein Klavier-Pyromane?“
„Ich kann dergleichen nicht voraus sehen! Aber ich rate, sag es dem Klavierchen! Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!“

Genau so tat ich es. Das Klavierchen schluchzte laut auf. „Wer kann mir denn Böses wollen? Ach , Papamama, ich will nicht in die weite Welt. Die Welt ist böse. Lass mich immer bei dir blieben, für immer und ewig.“
Äh, nee, so war das eigentlich nicht gemeint. Kinder müssen eines Tages aus dem Haus, Hotel Papamama wird es in meinem Stadtpalast nicht geben. Also musste ich sofort handeln. Sofort rief ich die schnelle Einsatztruppe. Vier Rabauken, die auch sofort kamen. Ihr Einsatz verlief schnell und komplikationsarm.
„Wir sind die Black Country Communion und machen keine Gefangenen“, teilten sie dem jungen Mann nur mit. Dem zurückgebliebenen Häuflein Asche entnahmen sie eine unversehrt gebliebene Metallkapsel, in der sich ein Lieferschein befand. „Für Ben-Tzi Droan. 25 Liter Flugbenzin = Lampukistan/Retour. Gezeichnet: E. Klugh“.

Die Blind Boys, die mit Ben-Tzi Droan nach Lampukistan fliegen wollten, guckten streng: „Da war unser Herr Klugh doch nicht so klug, wie es sein Namen vermuten lässt. Wusste er denn nicht, dass unser fliegender Teppich allein durch die Kraft der spirituellen Energie fliegt? Und ihr, ihr Black Country Communionisten, hätte ihr nicht vorher fragen können, bevor ihr den jungen Mann in seine Aschemoleküle zerlegt?“
„Öh, nö, das hat uns niemand gesagt. Wir sind halt so. Wir sind von der schnellen Ballertruppe. Hart und rau, kernig bis ins letzte Molekül.“
„Zur Strafe müsst ihr am 16. Juli ein Konzert in der Wiener Staatsoper spielen. Hart und rau, kernig bis ins letzte Molekül.“
„Und Du“, die Blind Boys wandten sich mir zu, „Du, unser Gastgeber in Wien zwischen Zitronenhainen, Papageien und Schildkröten, bist eigentlich der Hauptschuldige. Wenn Du die Black Country Communionisten kommen lässt, hättest Du wissen müssen, was passiert. Ein Strafe für Dich müssen wir uns noch überlegen. Am Sonntag, wenn Liz Minnelli auftritt, werden wir Dir das Strafmaß mitteilen!“

Hm, das hört sich gut an, zwei Konzerte, eines von der Black Country Communion und eines von Liza Minnelli. Andererseits, das hört sich schlecht an, das mit der Strafe. Was das wohl geben wird?
(Harald Justin)