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Face to Face

Interview mit Wolfgang Lamprecht

Auf hoher See

Der Mann ist freundlich und hat Humor. Was nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass er den gewissen journalistischen Biss hat.

Wolfgang Lamprecht gilt nicht zufällig als einer der angesehensten Kulturjournalisten Österreichs. Er ist u.a. Chefredakteur von K2 und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Kunstforums der Bank Austria. Was ihn, viel wichtiger, für impulse zu einem Gesprächspartner macht, ist seine Musikleidenschaft. Ihm im Porgy & Bess zu begegnen, fällt nicht schwer. Neben vielen Vorlieben hat er eine für das Jazz Fest Wien. Darüber hinaus ist er ein passionierter Segler.
Seine ganz persönlichen Tipps teilt er gerne mit.

Wolfgang Lamprecht

Möglicherweise löst der erste Schluck des angebotenen Glas Wassers deshalb bereits alle Hemmungen und eine kurze Welle eruptiven Blödsinns erfasst Wolfgang Lamprecht und den angereisten Journalisten. Jedenfalls solange, bis dieser die Abhörtechnik installiert hat, um das gemeinsame Gespräch aufzuzeichnen.

Dann wird’s ernst, die ersten Fragen und Antworten werden durchgesprochen, die Knöpfe auf dem Aufnahmemaschinchen werden gedrückt. Schließlich soll das Medium originalgetreu aufzeichnen, was Lamprecht etwa auf die Frage zu sagen hat, welche Musiker er sich wohl auf dem Jazz Fest Wien anschauen werde. „Ich freue mich sehr auf Dr. John. Ich liebe diesen R&B-Funk aus New Orleans.“ Kurzer Zwischenruf: „Am gleichen Abend wird im Arkadenhof auch noch Trombone Shorty auftreten. Der spielt ja ebenfalls diesen New Orleans Funk!“ Lamprechts Gesicht hellt sich auf: „Ich weiß. Den kannte ich bislang noch gar nicht. Das finde ich übrigens sehr gut beim Jazz Fest Wien. Sehr oft sind auf den Nebenschienen, also jenseits von den in den Medien hochgepushten Stars, fantastische Entdeckungen zu machen.“

Die nächste oder übernächste Frage kommt wie ein Uppercut aus ein Schar von Windmühlenschlägen und versucht, etwas zu listig vielleicht, den Bogen zu seiner Segelleidenschaft und zum Wassersport zu schlagen: „Gibt es für dich so typische Jazz-Landschaften? Also Landschaften, die für dich typische Jazz-Eigenschaften haben? Für mich schließen sich etwa Jazz und Sumpf aus. Jazz steht für mich eher für eine Offenheit, wie das Meer sie bietet!“ Lamprecht überlegt und pariert gekonnt: „Jazz hat für mich eher urbanes Flair. Deshalb liebe ich es auch, in Wien zu sein. Hier hat sich kulturell sehr viel getan in den letzten Jahren. Obwohl, ich liebe auch das Inn-Töne Festival von Paul Zauner, mitten auf dem Land. Aber wir sind ja hier, um über das Jazz Fest Wien zu sprechen!“ Stimmt. Oder übers Segeln. „Ich hatte ja gehofft“, hört sich der Journalist sagen, „mein Hinweis auf das verbindende gemeinsame Merkmal von Jazz und Meer würde Dir eine Brücke bauen, um en passant auf Deine Segelleidenschaft zu sprechen zu kommen. Machen wir es also direkt: Welchen Musiker würdest Du mit aufeinen Segeltörn nehmen?“

Lamprecht gießt einen Kaffee voran und schluckt nach mit einem Glas voll des feinsten österreichischen Wassers. „Puh, dass ist eine verdammt gute Frage. Jazz-Musiker wollen ja dauernd spielen. Klavierspieler müssen also draußen bleiben, so ein Instrument passt nicht auf mein Schiff. Außerdem ist das ja eine Charakterfrage. So ein Segeltörn dauert mindestens eine Woche. Mit wem kann man es so lange auf engstem Raum aushalten?“ Er überlegt. Leerminuten füllen den Raum. Vom Jazz zum Segeln braucht es nur eine leichte Brise und offenbar kommt Lamprecht fast ins Schwimmen bei der Frage nach einem potentiellen musikalischen Mitsegler. Vielleicht hilft ja der Hinweis auf ein Zielmeer weiter? Richtig. Lamprecht möchte in zwei Tagen in Richtung türkische Ägäis aufbrechen, und schon ist seine Antwort bestimmt und klar: „Alp Bora von Nim Sofyan, der müsste es ein. Der ist Türke, lebt in Wien und ist ein netter, zuvorkommender, gebildeter junger Mann. Der wäre es!“

Ok, fester Grund gefunden, danke für Gespräch. Das Aufnahmegerät wird abgeschaltet. Später fällt ihm ein, dass er auch in Ernst Molden wahrscheinlich einen guten Segelkameraden gefunden hätte. Zu spät, Alp Boran hat schon gebucht.

Noch später schaltet sich das Technik-Team ein. Nichts sei auf dem Gespächsaufzeichnungsmaschinchen zu hören. Wie bitte? Ein Stunde feinsten Parlierens und kunstvollster Gesprächsführung und kein tontechnisch verwertbares Ergebnis? Unwiederholbare Minuten geistreicher Konversation, unrettbar verloren? Und alles nur, weil simpler Menschverstand nicht ausreicht, sich der technischen Apparatur zu bemächtigen? Genau so sieht es aus. Das ist schlimm.

Aber so schlimm auch wieder nicht. Denn selbst der schönste O-Ton eines Gesprächs ist bekanntlich niemals so erlebnisdicht wie ein richtiges Gespräch. Und zu hören, wie Wolfgang Lamprecht sich auf das Konzert von Dr. John freut, ist sicherlich nur halb so schön, wie das Hören der aktuellen CD des Funkmasters aus New Orleans. Und was ist, bitte schön, das Hören einer CD gegen das richtige Konzerterlebnis im Arkadenhof des Rathauses? „Music is real, life is sailing“, heißt es in einem Soulklassiker. Wolfgang Lamprecht verbindet beides. Kluger Mann.
(Harald Justin)

Live Jazz Fest Wien: Dr. John & Band | Trombone Shorty 7. Juli 2011, Rathaus/Arkadenhof
Hot stuff CD / Tribal – Dr. John And The Lower 911
Hot stuff CD / Agora – Nim Sofyan