impulse
Face to Face

Posaunist mit Herzenslust

Paul Zauner im Interview

Wenn es hierzulande einen Musiker der Herzen gibt, dann Paul Zauner. Noch herzlicher wird es dadurch, dass der Posaunist seinerseits für sein großes Herz bekannt ist. Da muss die Musik entsprechend sein.

Der Mann ist ein Erlebnis. Die graugelockten Haare, die wachen Augen, die Umtriebigkeit, mit der er seinen durch pralle Lebenslust genährten Körper bewegt, sind ebenso bemerkenswert wie seine Engagement für die Musik.
1959 geboren, studierte er in Wien Posaune und Klavier und spielte mit Größen des afroamerikanischen Jazz wie den Saxofonisten George Adams, David Murray, Hamiet Bluiett oder dem Sänger Leon Thomas. Sie alle sind Vertreter einer eher expressiven Jazz-Auffassung. Diese frühen Begegnungen prägen bis heute die Auswahl seiner Mitmusiker, insbesondere die der Sänger.

Paul Zauner (c: Rainer Rygalyk)
Foto: Rainer Rygalyk

Seit den achtziger Jahren leitet er sein Blue Brass-Projekt, eine Band, mit Mitgliedern wie u.a. Clemens Salesny, Martin Reiter, Daniel Nösig, Dusan Novakov, Wolfram Derschmidt und amerikanischen Gästen wie Dwight Trible. Das würde für ein Menschenleben schon ausreichen. Aber das Kraftpaket aus dem Innviertel ist nebenbei noch Kurator für diverse Jazz-Programme, leitet sein 2005 für einen Amadeus-Award nominiertes Label PAO Records und veranstaltet auf seinem Bauernhofein in Fachkreisen hochgerühmtes Festival, die INNtöne. Ganz nebenbei hat er eine Familie, in der der Sohn just das Saxofon-Solo von Dexter Gordon auf Herbie Hancocks „Watermelon Man“ so inspirierend fand, dass er selbst das Spiel auf diesem Instrument erlernen will. Dass Papa die besten Saxofon-Lehrer der Welt kennt, dürfte klar sein. Für den Jazz-Nachwuchs ist also gesorgt.

In das weite Feld der Nachwuchsförderung fällt auch seine Arbeit auf seinem Bio-Bauernhof, wo er die Zucht von Sauwaldschweinen betreibt, die am Ende ihrer Tage manchen Gourmet glücklich machen. So sorgt er sich als Musiker und Bio-Bauer um das leibliche Wohl seiner Gäste. Man sollte seine Tätigkeit als Musiker nicht von dem eines Bio-Bauern trennen. Sein Musik ist so erdig-echt wie der Waldboden unter den Füßen seiner Schweinderl.

Auch als Bandleader muss man ihn mögen: Als kurz vor dem Auftritt im Porgy & Bess, der Auftritt des Pianisten und Sängers Donald Smith in Frage stand, engagierte er kurzfristig den Pianisten Martin Reiter. Der sagte zu, und kurz danach war klar, dass Donald Smith doch spielen konnte. Statt Reiter abzusagen (und Honorar einzusparen), ließ er Reiter zusätzlich mitspielen. Martin Reiter, glücklich nach dem fulminanten Auftritt und einem famosen Interplay zwischen ihm und der amerikanischen Jazz-Größe, meinte nur: „Du kennst doch Paulis großes Herz!“

Eine gute Gelegenheit mit Paul Zauner ins Gespräch zu kommen, bot sein Auftritt am 14. Juli im Rahmen des Jazz Fest Wien, wo er mit seinem Blue Brass–Projekt und den Great Voices of Harlem im Porgy & Bess gastierte.

impulse Dein Blue Brass-Projekt zeichnet sich seit Jahren durch Personalwechsel auf hohem Niveau aus. Bei Dir spielten schon Musiker wie Dwight Trible, Martin Reiter oder Clemens Salesney. Wie kommst Du an die Musiker?
Paul Zauner Das sind oft Freundschaften. Ich bin viel unterwegs, in Clubs, ob in Paris oder New York, und da lerne ich viele Musiker kennen. Manche Musiker kenne ich schon seit 25 Jahren.
impulse Wie bist Du an die drei Sänger gekommen, die Du jetzt als ‚Great Voices Of Harlem’ präsentierst?
Paul Zauner Donald Smith ist einer dieser Freunde, die ich schon seit 25 Jahren kenne. Den musst Du übrigens unbedingt interviewen! Ein toller Mensch und Musiker! Der hat eine Geschichte, wahnsinnig interessant! Und dann habe ich mich in den Clubs in Harlem umgehört. Ich bin ja immer viel unterwegs. Zuerst wurde ich auf Mansour Scott aufmerksam, der eine fantastische Version von „In A Sentimental Mood“ gesungen hat. Später traf ich Gregory Porter. Damit waren die Great Voices Of Harlem geboren.
impulse Eigentlich habe ich Dich schon gestern Abend zum Jazz Fest erwartet. Wo warst Du?
Paul Zauner Wir waren im Studio und haben bis in die Nacht an unserer neuen CD gearbeitet.
impulse Im Vergleich zu anderen Jazz-Orchestern favorisierst Du eine Jazz-Spielart, die wesentlich erdiger und weniger verkopft klingt. Mit Titeln wie „Better Get Hit In Your Soul“ von Mingus, „Watermelon Man“ von Hancock oder „Moanin’“ von Art Blakey geht es sehr sinnlich zu. Die Zuschauerreaktionen zeugen oftmals von frenetischer Begeisterung. Gehe ich recht in der Annahme, dass du kein Jazz-Asket bist?
Paul Zauner Das stimmt wohl (Lachen). Ein Asket bin ich nicht. Eher sinnlich. (Lachend , mit einer vollbeladenen Gabel im Mund!) Aber ich würde da genau unterscheiden. Ich habe immer schon die Meinung gegenüber anderen vertreten, dass man Musik spüren muss. Ob ich nun eher frei spiele, Soul oder mehr Jazz, man muss die Musik spüren können. Ich unterscheide nicht zwischen diesen oder anderen Jazz-Arten, mir ist es egal, ob einer Free Jazz oder sonst was macht. Für mich zählt dieser Druck, dieses spürbare Erlebnis. Vielleicht verstehe ich mich deshalb auch mit Donald Smith so gut. Der kommt aus der Free-Jazz-Szene, aber er singt und spielt mit ungeheurer Intensität.
impulse Wer Dich je auf Deinem Festival, den Inn-Tönen, erlebt hat, weiß, dass Du als Gastgeber auch in der Nähe des Grills zu finden bist. Deine frischen Forellen sind ebenso ein Genuss wie Würstel und Koteletts. Vermisst Du irgendein Essen, wenn Du in Wien bist?
Paul Zauner Nein, überhaupt nicht. Was ich auf den Festival anbiete, ist halt … nun, sehr einfach.
impulse Es schmeckt aber …
Paul Zauner …ja, ja, in Wien vermisse ich aber nichts. Sushi, Mehlspeisen, alles ist da. Ich liebe es, in Wien zu sein. Im Weindepot etwa.
impulse (Lachen) Danke für den Tipp und für das Gespräch!
(Harald Justin)