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Zeit für Wohlklang und himmlische Weiten?

Al DiMeola, Earl Klugh, William Fitzsimmons, Under Western Skies und Sabina Hank, das sind vier Acts an einem Abend und ungefähr so, als würden an diesem 1. Juli Weihnachten, Ostern und Geburtstag auf einen Tag fallen.

Freitag, der 1. Juli, könnte als Tag des besonderen Datumsprungs in die Geschichte eingehen. Das Jazz Fest Wien nimmt mit gleich vier Konzerten an einem Abend so richtig Fahrt auf und fordert die ganze menschliche Entscheidungsfreudigkeit heraus. Denn die Konzerte finden nicht etwa hintereinander statt, sondern ziemlich zeitnah im Großraum der Wiener Innenstadt. Wohin also gehen?

William Fitzsimmons (c: Erin Brown)
Foto: Erin Brown

Etwa zum singenden Vollbart, diesem William Fitzsimmons, dem ausgebildeten Psychotherapeuten, der seine Welt-Ängste und Ich-Zweifel mit schmeichelndem Bariton ins Mikrofon des WUK flüstert? FreundInnen herzerweichender Balladen können sich durch den regen Zuspruch in der internationalen Presse bestätigt fühlen, die aus Fitzsimmons zur Zeit einen „everybody’s darling“ für die heranwachsende Jugend macht. Noch nie wurden Vollbärte und Psychotherapeuten dringender benötigt. Und wo könnte sich Fitzsimmons heimischer fühlen als in Wien, der Stadt des anderen bärtigen Seelendoktors?

Sabina Hank etwa, die am gleichen Abend auf der Summerstage spielt, hat keinen Vollbart. Dafür aber das absolute Gehör und eine Ausbildung als Pianistin. Singen kann sie auch, und im besten Fall verbindet sie beide Fähigkeiten. Und während die Österreicherin gegen 20 Uhr höchst sensibel Tasten zu drücken und die Stimmbänder in Spannung zu versetzen beginnt, hat Fitzsimmons schon seit 19.30 Uhr seine Praxis geöffnet. (In der sich aber beim Anpfiff als Opener noch Slow Runner aufhalten werden.)

Earl Klugh

Zur gleichen Zeit haben auch Al DiMeola und Earl Klugh mit ihren Konzerten in der Wiener Staatsoper begonnen. Macht es allein der Nachname, dass Earl Klughs Gitarrenspielereien sich gegenüber allen nichtigen Trends der Zeiten behaupten können? Nylonhemden mögen out sein, sein Spiel auf einer mit Nylon-Saiten bespannten Holzgitarre aber trotzt sowohl Moden als auch den von anderer Seite angesagten Experimenten. Beständigkeit auf Niveau, mitunter verzeihlicherweise auch einmal in Belanglosigkeiten des Smooth Jazz abgleitend, ist sein Markenzeichen. Vom Jazz beeinflusst, aber viel mehr noch dem Spiel von Chet Atkins und des Brasilianers Laurindo Almeida verdankend, erregte er in den Bands von Yusef Lateef, George Benson und später Chick Corea die Aufmerksamkeit. Die hat er bis heute nicht verloren. Als Meister der leisen Töne wird er allein auf der Bühne der Staatsoper stehe. Ein Mann und seine Gitarre. Ohne Bart. Mehr braucht es nicht für einen Feingeist.

Al Di Meola (c: Wolfgang Gonaus)
Foto: Wolfgang Gonaus

Die Behauptung, dass seine Musik einen Bart habe, würde sich Al Di Meola zu Recht verbitten. Auch er wurde in der Band von Chick Corea bekannt. Als Geschwindigkeitsmeister hatte er sich schnell einen Namen gemacht, Jahre später erkannte er, dass es beim Gitarrespielen um mehr als um flinke Finger geht. Im Ausdruck liegt die wahre Kunst, und deshalb blieben vom Jazzrock der frühen Zeit nur noch ein paar Hochgeschwindigkeitsläufe übrig. Ansonsten aber hat er die Weltmusik und den Tango für sich entdeckt und zelebriert seine Kunst mit Finesse und mehr Gefühl denn je.

Und während er sich und das  Publikum in Verzückung zupfen wird, im WUK der Schweiß aus dem Vollbart gewrungen wird, Sabina Hank auf der Summerstage brilliert, dürften sich im Porgy & Bess bereits die drei Herren von Under Western Skies warm spielen. Mit Herwig Gradischnig am Saxofon, Herbert Pirker an den Trommeln und Frank Schwinn an der Gitarre und den Electronics ist das Trio hochkarätig besetzt Gegen 21 Uhr wird das deutsch-österreichische Trio beginnen, den Traum von der Weite des Westens zu träumen.

Allein, an diesem Abend für sensible Gehörgebildete mit Bart und kluge Saiten-Virtuosen, die mit flinken Finger von himmlischen Westernweiten träumen, wird die Weite des Wiener Raums keine besondere Rolle spielen. Zwischen WUK, Summerstage, der Staatsoper und dem Porgy & Bess liegen keine Welten. Einzig das doch wohl etwas knapp bemessene Zeitfenster erschwert es, dass FreundInnen des Wohlklangs auf die Kosten von vier Konzerten an einem Abend kommen. Zeit und Raum wollen halt nicht immer so, wie wir es uns wünschen. Das uralte Menschheitsproblem, dass es leicht möglich ist, zur richtigen Zeit am falschen Ort oder zur falschen Zeit am richtigen Ort zu sein, wird an diesem Abend wohl nicht gelöst werden können.

Eines kann aber schon in weiser Voraussicht verraten werden: am Tag danach ist man schlauer! Besonders diejenigen, die an dieser Stelle die definitive Konzertkritik mitsamt dem Backstage-Bericht lesen werden. impulse wird berichten, wie und wo das Zeitfenster geöffnet wurde!
(Harald Justin)

Live
Jazz Fest Wien: William Fitzsimmons 1. Juli 2011, Wuk
Jazz Fest Wien: Sabina Hank 1. Juli 2011, Summerstage
Jazz Fest Wien: Al Di Meola | Earl Klugh 1. Juli 2011, Wiener Staatsoper
Jazz Fest Wien: Under Western Skies 1. Juli 2011, Porgy & Bess