Togetherness zwischen Kunstfigur und Knödel?
Irgendwo zwischen Marilyn Monroe, Marilyn Manson und Marillenknödel erscheint auch ihr Name auf dem Bildschirm, wenn man sie googelt. Ob Marilyn Mazur sich in der Gegenwart von Knödeln und Kunstfiguren wohlfühlt?
Noch ist der Bildschirm so unschuldig unbefleckt weiß wie das Gehirn eines gerade neugeborenen Babys. Kaum aber geben wir in die Leiste der Suchfunktion einige Buchstabenkombination ein, überfluten uns Suchende mögliche Funde, irgendwo zwischen Marilyn Monroe, Marilyn Manson und Marillenknödel, allesamt Versuchungen des Bösen, taucht dann der Name der gesuchten dänischen Perkussionistin auf. Inmitten all der sündhaften Versuchungen des Bösen gehört sie zu den Guten!
Foto: Stephen Freiheit
Das bezeugt allein die Liste der Musiker, mit denen sie zusammengespielt hat. Ein paar Namen gefällig? Andreas Vollenweider, Charlie Mariano, Irène Schweizer, John Tchicai, Miles Davis, Gil Evans, Wayne Shorter, Peter Kowald, Nils Petter Molvaer, Mathias Rüegg, Jan Garbarek und …und …nicht schlecht diese Liste mit den Namen erstklassiger Jazz-Musiker, nicht schlecht für ein Mädchen, das als Dänin in New York geboren wurde und sich das Trommeln eigenhändig beibrachte. Dass sie, so ganz nebenbei auch noch mit eigenen Bands und mit reinen Frauen-Orchestern spielte, sang, komponierte und Klavier spielte, mag man über dieser Liste eines musikalischen Erfolgslebens fast schon vergessen.
Ketzerisch gesagt, könnte man ihre Großtaten des 20. Jahrhunderts sowieso vergessen. Wer interessiert sich schon noch für die Schlagzeilen der Zeitung von gestern? Interessanter ist da schon eher die Frage, ob ihr eigener Anspruch noch zählt, wenn sie im Rahmen des Jazz Fest Wien am 30. Juni im Porgy & Bess mit ihrem eigenen Quartett um den Pianisten John Taylor und der Sängerin Josefine Cronholm aufspielt.
Als sie vor genau zehn Jahren, im schicksalsträchtigen 9/11 Jahr 2001 den renommierten und hochdotierten Jazzpar-Preis erhielt, legte sie in mehreren Interviews die Motive ihrer Musik offen. „Kosmische Song-Empfängerin“ sei sie, ihre Musik sei „geformt von dem menschlichen Sehnen nach Togetherness, Schönheit, Spaß und dem Verständnis der Mysterien des Lebens.“ Und wenn sie trommelt, was passiert dann? „Ich transformiere Gefühl in psychische Bewegung – und ich kombiniere Groove mit Response.“
Foto: Pamela Littky
Das hört sich gut an. Auf dem Papier. Denn ein überzeugter Sufist wie Richard Thomspon, der am gleichen Abend im WUK auftritt und seine am Folk-Rock geschulte Songschreiberkunst und sein exzellentes Gitarrenspiel vorstellen will, könnte diese Sätze der Togetherness und der kosmischen Grooveresponse ebenso unterschreiben. Auf dem Papier.
In der Praxis aber hört sich die Musik von Marilyn Mazur und Richard Thompson recht unterschiedlich. Da liegen Welten zwischen, voneinander so weit entfernt wie Marillenknödel und Marilyn Manson. Wieder einmal haben wir die Qual der Wahl.
(Harald Justin)
Live Jazz Fest Wien: Marilyn Mazur 30. Juni 2011, Porgy & Bess
Live Jazz Fest Wien: Richard Thompson 30. Juni 2011, Wuk
Hot stuff CD / Richard Thompson – Dream Attic