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Cesaria Evora

„Einmal Eintopf bitte!“

Die Frauenquote beim Jazz Fest Wien ist bekanntlich groß. Sehr groß. So wie Cesaria Evora. Nachdem Marianne Faithfull das Fest eröffnete, bestreitet die „barfüssige Diva“ von den Kapverden nun das zweite Konzert.

Klein ist die Sängerin von den Kapverden nur, wenn sie nach ihrer Körpergröße gemessen wird. Ihr Herz allerdings ist groß, ihr Ruf auch. Seit sie sich in den frühen sechziger Jahren während eines Konzertes die Schuhe auszog, gilt sie als Barfußsängerin, die sich noch dazu karitativ um Kinder kümmert. Seit sie 1988 von einem Franzosen mit kapverdischen Ahnen nach Paris geholt wurde und mit seiner Hilfe das Album La Diva Aux Pieds Nus aufnahm, hat sie ihren Ruf kultiviert und ihre Gesangskunst rund um die Welt getragen. Miss Perfumado (1992/1998) war ihr bislang erfolgreichstes Album, während Cesora & (2010) das Album war, dass ihre weltweite musikalische Freundschaft mit Künstlern wie Adriana Celentano und Bonnie Raitt dokumentierte.

Schön wäre es gewesen, sich mit der Diva über die Kapverden zu unterhalten, jene Inseln im Wind vor der senegalesischen Küste. Im 15. Jahrhunderten machten die Portugiesen die damals unbewohnten Inseln zum Umschlagplatz für den Sklavenhandel. Erst 1876 hob Portugal die Sklaverei auf. Die 1941 geborene Sängerin ist mithin also Nachkommin von Sklaven. Mit ihr über ihre Urgroßeltern zu sprechen, hätte uns Europäern das Grauen über das europäisch-afrikanische Verhältnis erneut lehren können.

Cesaria Evora

Die Begegnung von Portugiesen und Afrikanern auf der Sklavenroute nach Lateinamerika hat kulturell zumindest eines bewirkt: aus der Vermischung der portugiesischen Musik mit afrikanischen und später lateinamerikanischen  Rhythmen erwuchs auf den Kapverden eine Musik, die zugleich traurig, sanftmütig und so lebensbejahend wie überlebenswichtig wurde. Die Mornas, als deren wichtigste Interpretin die Evora heute gilt, verweisen gleichzeitig auf den portugiesischen Fado als auch auf den nordamerikanische Blues, die lebhafteren Funana und Coladeiras tragen die Rhythmen Afrikas und der lateinamerikanischer Musik in sich. „Die Menschen der Kapverden lieben schon immer die brasilianischen Rhythmen , den Samba, und adaptierten sie auf ihre Weise“, soll sie einmal gesagt haben.

Es wäre schöngewesen, Cesario Evora über die Rolle der Frauen auf den Kapverden zu befragen. Die Männer auf den Inseln sind nämlich größtenteils arbeitslos. Der Handel auf den Märkten, der selbstgenügsame Anbau auf den Feldern und die Arbeit in der Tourismusbranche wird von Frauen erledigt. Kein Wunder, dass Cesario Evora vor einigen Jahren zwei Laster auf einmal aufgab: das Trinken und Männer. Sie habe das Übel bei der Wurzel gepackt, heißt es, und lebe fortan mit ihren Kindern und ihrer Mutter im eigenen Haus. Ohne Männer, ohne Alkohol, aber mit ihren geliebten Zigarren, mit ihrer Musik und ihre Kochkunst.

Die lasse sie vornehmlich dem kapverdischen Nationalgericht, der Cachupa, zukommen. Der Eintopf aus Mais, Bohnen, Maniok, Kartoffeln, Chili, Huhn oder Fleisch, gehört zur Internationalen der Resteverwertung, es ist ein typisches Gericht der armen Leute, wie es in abgewandelter Form überall auf der Welt zu finden ist, von der Gourmets verachtet, vom Volk geliebt oder wegen Überdruss gehasst, global von Geschmacksscouts gejagt. Der Cachupa ist das geschmackige Äguivalent zu den Mornas und Coladeiras, eben ein Eintopf aus vielen Zutaten.
Es soll französische Reiseführer geben, die einen Besuch bei Cesaria Evora empfehlen, weil sie „immer eine Cachupa für die Besucher bereit stehen“ habe. Eine schöne Vorstellung, jedenfalls für alle Kapverden-Touristen, die romantische Vorstellungen von immer gern kochenden und die Welt ernährenden Frauen und Sängerinnen mitsamt ihrem sonnigen Inselleben hegen.

Zu all dem schweigt Cesaria Evora. Manchmal wird vermutet, sie rede deshalb so wenig mit ausländischen Journalisten, weil sie kein Portugiesisch spreche, nur die auf den Kapverden weit verbreite kreolische Umgangssprache Crioulo beherrsche, ein Hybrid aus portugiesischen und afrikanischen Sprachelementen. Solche Vermutungen weist das Management weit zurück. In den kapverdischen Schule werde beides gelehrt, Kreolisch und Portugiesisch, und Cesaria Evora spreche natürlich beide Sprache vorzüglich. Aber sie habe einfach keine Lust auf immer die gleichen Fragen der Presse.

Recht hat sie. Sie singt lieber. Eigentlich lassen sich alle Fragen durch das Hören ihre Musik erklären. Und wer ihr wirklich die Zunge lösen möchte, kocht vielleicht besser einmal eine Cachupa für sie, die singende Meisterin des Eintopfs. Ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit wäre das allemal. Wo seid ihr, Cachupa-Köche Wiens?
(Harald Justin)

Live Jazz Fest Wien: Cesaria Evora 23. Juni 2011, Wiener Konzerthaus
Hot stuff CD / Cesaria Evora – Cesaria Evora &