Memphis Blues Again
Cyndi Lauper
Mit den Konzerten von Cyndi Lauper und Liza Minnelli nährt das Jazz Fest Wien noch einmal die Frauenquote und geht leider auch langsam und sicher zu Ende. Mit dem Konzert von Cyndi Lauper kann man sich allerdings fragen, was eigentlich ganz am Anfang stand.
Foto: naive
Gute Fragen kommen nie alleine. Das weiß jeder, der Assingers „Millionshow“ kennt, ein Kind war, eines hat oder immer noch eines ist. Mit dem Rudelverhalten von Fragen kann man auch Cyndi Laupers aktuellem Album Memphis Blues begegnen. Warum ist es eigentlich nach der Stadt im amerikanischen Staat Tennessee benannt und heißt nicht etwa Paris- oder Washington Blues? Eine hoffentlich sofort als falsch erkannte Antwort könnte lauten: weil Justin Timberlake dort geboren wurde!
Bei anderen Antworten allerdings kann man sich nicht so ganz sicher sein, oder? Ziemlich plausibel klingt zum Beispiel die Erklärung, dass der Albumtitel ein Hinweis auf …
1 … den „Memphis Blues“ ist, einen der ersten komponierten Blues vom „Father of The Blues, W. C. Handy.
2 … die Memphis Jug Band ist, eine der einflussreichsten Bluesband in den zwanziger Jahren. Sie nahm immerhin Titel wie „I Whipped My Woman with A Single Tree“ auf, wie geschaffen für Blues singende Frauen.
3 … Memphis Minnie (1897-1973) ist, eine der ersten Frauen im Blues, die sich auch als Gitarrístin Respekt unter Männern verschaffte.
4 … die legendären Sun-Studios ist. In ihm nahm eine Sängerin wie Memphis Ma Rainey eine unter Sammlern begehrte Single wie „Baby No.10“ auf. Memphis Ma Rainey ist zwar nicht die legendäre Ma Rainey (1886-1939), der Cyndi Lauper ausdrücklich ihr Album widmete, aber wer weiß?
5 … die legendären Sun-Studios ist. In ihm nahmen kommende Bluesgrößen wie Howlin’ Wolf, James Cotton und Little Milton ihre ersten Schallplatten auf. Hier entstand Junior Parkers „Mystery Train“, später von Elvis gecovert, hier startete „Rocket 88“ von Jackie Brenston, die viele als erste Rock ’n’ Roll-Single bezeichnen. Ach ja, Elvis spielte ebenfalls in den Sun-Studios in Memphis seine ersten und besten Aufnahme ein, Jerry Lee Lewis ebenfalls. Johnny Cash war auch dort.
6 … Chuck Berry ist, den „Shakespare des Rock ’n’ Roll“ der mit „Memphis Tennessee“ seine Sommernachtstraum schrieb.
7 … Booker T. & The M.G.’s ist. Die hatten sich nicht nach M(achine) G(uns) benannt, sondern sich als M(emphis) G(roup) bezeichnet. Ihr Hit „Green Onions“ klingt immer noch nach, ebenso die Musik von Stax-Records, dem neben Motown-Records wichtigsten Soul-Label. Beheimatet natürlich in Memphis, Tennessee, mit Stars wie Otis Redding, den Staple Singers, Isaac Hayes und Rufus Thomas.
8 … Dusty Springfield ist, die britische Soul-Sängerin (1939-199) ist, die 1969 mit ihrem Album Dusty in Memphis ebenfalls in Memphis weilte. Und wo eine Soul-Schwester ist, das ist die Blues-Schwester nicht fern.
9 … auf Memphis Charlie ist, der später unter seinem richtigen Namen Charles Musselwhite berühmt wurde und für Laupers Album als Gaststar eingekauft wurde.
10 … den Bluespianisten Memphis Slim (1915-1988) ist, dessen bekanntesten Song „Mother Earth“ Cyndi Lauper so gekonnt covert und dessen Song „Eeryday I Have The Blues“ B. B. King zum Erkennungssong seiner Shows macht.
Vielleicht findet Cyndi Lauper den Blues aber auch in Memphis, weil es dort 1916 mit Piggley Wigglies die erste Supermarktkette gab, die damit das Ende der dortigen Greissler einläutete. Weil dort eine weiteres Imperium seinen Siegeszug begann: Holiday Inn. Die Hotelkette bedeutete das Ende des von einer Familie geführte Hotels und der Beginn des familiengerechten Urlaubs in normierten Zimmern in ganz Amerika.
Oder weil von Memphis aus die FedEx Corporation die Welt in ein umfassendes Logistiksystem einspannte und damit die Globalisierung voranrieb. Oder weil in Memphis die Armut in der afroamerikanischen Bevölkerung besonders hoch, die Bluesszene reich war und der Protest gegen die Rassismus schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts lautstark wurde: die Musikerin Julia Hooks weigerte sich 1881, nicht in der nur für Weiße reservierten Sektion eines Theaters sitzen zu dürfen. Und ist Memphis zu trennen von der Ermordung des afroamerikanischen Friedensnobelpreisträgers Martin Luther Kings am 4. April 1968? Bei alldem kann man schon den Blues bekommen.
Was Cyndi Lauper nicht daran hindert, recht persönliche Gründe dafür anzuführen, den Blues à la Memphis zu singen. So sagt sie es in gleich mehreren Interviews: „Dieses Album wollte ich immer schon machen. Der Blues ist die Grundlage von allen modernen Musikformen. Ich bin seit meiner Kindheit ein großer Bluesfan.“ So einfach geht es nämlich auch. Womit alle sich alle weitergehenden Fragen erübrigen könnten..
(Harald Justin)
Live Jazz Fest Wien: Cyndi Lauper 15. Juli 2011, Wiener Staatsoper
Hot stuff CD / Cyndi Lauper: Memphis Blues