Deutsch-amerikanische Freundschaft mitten in Wien!
Madeleine Peyroux und Till Brönner
Das gemischte Doppel von Till Brönner und Madeleine Peyroux verspricht sanftes Ruhen im Strom elegischer Gewissheit um das Ziel der Reise, bei der der Weg das Ziel ist.
Noch das Doppelkonzert am Freitag, dem 1. Juli in der Wiener Staatsoper, präsentierte mit Al Di Meola und Earl Klugh zwei ganz unterschiedliche Persönlichkeiten und ihre sehr gegensätzliche Arten der Gitarrenkunst. Das Doppelkonzert des deutschen Trompeters Till Brönner und der amerikanischen Sängerin Madeleine Peyroux verspricht hingegen eher eine sanfte Übung zu werden.
Foto: Mary Ellen Mark
Die 36jährige Madeleine Peyroux versteht es, ihre Lieder vom stetigen Wandel des Lebens im Strom der Zeit ohne große Gefühlsausbrüche zu singen. Einige Jahre an Lebenserfahrung voraus hat ihr Till Brönner. Was ihn aber auch nicht zu wildbewegten Ekstaseausbrüchen treibt, sondern ihn einmal mehr eher zu einer Symbolfigur für den deutschen Jazz macht. Zu recht, übrigens. Wie es dazu gekommen ist?
Nun, Brönner dürfte der seit Jahren erfolgreichste deutsche Jazz-Musiker sein. Dabei ist er weitaus mehr als nur ein technisch ausgereifter Trompeter und ein an Chet Baker erinnernder Vokalist. Er ist mehr als ein Produzent von auch künstlerisch erfolgreichen Alben für KünstlerInnen wie Hildegard Knef und Thomas Quasthoff. Er ist Juror in Casting-Shows im deutschen TV, ein erfolgreicher Jazz-Buchautor in eigener Sache und ein beliebter Gastmusiker, etwa bei Sergio Mendes.
Um zu verstehen, warum dieser Musiker zur Gallionsfigur des neuen deutschen Jazz geworden ist, , muss man einen kurzen Blick auf mindestens drei wichtige deutsche Jazzer werfen. Einmal auf den Free Jazz-Saxofonisten Peter Brötzmann, der mit teutonisch anmutendem Furor im Sinne der ’68er Parole „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, dem Nazi-Muff und dem erstarrten Wohlstandsdenken den Chaos-Marsch blies und alle festen musikalischen Strukturen ins Nirwana trieb.
Auch Brötzmann war eine Zeitlang das Gesicht des deutschen Jazz, ebenso wie Klaus Doldinger und Albert Mangelsdorff. Letzterer, deshalb gleich zweifach mit einem deutschen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, galt mit seiner zurückhaltenden Art und seinem Fleiß, mit denen er sich erst an den amerikanischen Jazz-Vorbildern abarbeitete, um dann einen ganz eigenen Weg des deutschen und europäischen Jazz zu beschreiten, als Symbolfigur des Jazz in Österreichs Nachbarland, mit dauerhafterer Wirkung als Brötzmann. Einzig der Saxofonist Klaus Doldinger hätte ihm diesen Ruf streitig machen können. Nicht unbedingt auf dem Feld der Musik, wo Doldinger dem Einfluss des amerikanischen Jazz, Blues und Rock mit jedem Ton seines Saxofonspiels treu blieb. Eher auf dem Gebiet des kommerziellen Erfolges ist Doldinger ein nicht weg zu denkender Einfluss. Er hat gezeigt, wie es geht, als Komponist von Filmmusiken (Das Boot) und TV-Jingles (Tatort), auch als Jazz-Musiker kommerziell erfolgreich zu sein.
Biologisch unmöglich, aber trotzdem wahr: Till Brönner könnte ihr gemeinsames Kind sein. Mit Brötzmann verbindet ihn die Unzufriedenheit mit allen einengenden Strukturen. Anders als Brötzmann sieht er diese aber weniger im gesellschaftlichen Umfeld, sondern direkt dort, wo er mit der Faulheit auch des eigenen Denkens konfrontiert wird. Er hasst Klischees, von welcher Seite auch immer. Bequemlichkeiten der Mode begegnet er mit adrettem Look, nur um kurz danach dem Saubermannlook wieder zu entkommen. Der Festlegung auf den Jazz antwortet er mit Qualitätsproduktionen beim deutschen Chansons einer Hildegard Knef.
Wie Mangelsdorff hat ihn der amerikanische Jazz fasziniert. Anders als der Posaunist aus Frankfurt brauchte er ihn sich aber nach dem II. Weltkrieg nicht mühsam zu erarbeiten. Durch die Amerikanisierung der deutschen Gesellschaft wurde Brönner der Jazz quasi in die Wiege gelegt. Trotzdem hat der Trompeter in sich erspielt, allerdings auch um offen zu sein für andere Musiken. Er kennt das deutsche Volkslied und den Samba aus Brasilien, das französische Chanson und den Jazz. Brönner ist weltoffen genug, um nicht zu vergessen, wo er herkommt, der Bezugsrahmen des typisch europäischen Jazz ist ihm bekannt, stellt aber keine absolute Größe mehr da. Anderswo wird schließlich auch gute Musik gemacht. Wie Mangelsdorff ist er ein Teamplayer, der aber zudem eigenverantwortlich arbeiten kann und seinen eigenen Stil der unaufgeregten Lässigkeit gefunden hat. Den als typische deutsche Tugend angesehenen Fleiß teilt er sich mit Mangelsdorff, und vor kommerziellem Erfolg schreckt er, anders als die ihm voraus gegangene Jazzer-Generation, ebenso wenig zurück wie Klaus Doldinger. Er ist gebildet, ohne eingebildet zu sein. Ideologien sind ihm fremd, als Pragmatiker nimmt er die Dinge gleich lieber selbst in die Hand statt zu lamentieren und damit zum Problemfeld zu werden. Und der Erfolg, der sich dann einstellt, den genießt er auch. Zu recht.
Mit anderen Worten: Till Brönner verkörpert in sich die besten Eigenschaften von gleich drei älteren Symbolfiguren des deutschen Jazz. Das macht ihn zu einem Sympathieträger, um den sich mittlerweile selbst jazzfremde Werbekunden bekennen. Man kann sich gut vorstellen, wie er sein zu wollen. Er ist die Symbolfigur des deutschen Jazz einer neuen Generation, die auf der Reise zu sich selbst in der Mitte der Gesellschaft Deutschlands angekommen ist. Ist es ganz falsch, ihn als das musikalische Pendant zu Jogi Löws deutscher Kickermannschaft zu sehen?
(Harald Justin)
Live Jazz Fest Wien: Madeleine Peyroux | Till Brönner 4. Juli 2011, Wiener Staatsoper
Hot stuff CD / Madeleine Peyroux: Standing On The Rooftop
Hot stuff CD / Till Brönner: At The End Of The Day