impulse
Cover

Jazz Fest Wien 2011

15. Juni bis 17. Juli

Nach einem Jahr emsiger Planungen, freundschaftlicher Verhandlungen und freudigen Wartens geht es am 15. Juni endlich los. Das Jazz Fest Wien ist wieder da! Länger, lauter und bunter denn je! Mit 362 Künstler/innen aus 18 Nationen! Und mit impulse, das direkt vom Treiben vor und hinter der Bühne berichten wird.

Vom 15. Juni – 17. Juli wird das Jazz Fest Wien in der Stadt aufspielen, wie immer dezentral an Orten wie dem Austria Center Vienna, der Wiener Staatsoper, dem Konzerthaus, in Clubs wie Porgy & Bess, dem Jazzland und dem Reigen, im WUK, im Arkadenhof des Rathauses oder an der Fernwärme in Spittelau. Welch einen besseren Zeitpunkt könnte man sich für dieses Festival wünschen, das heuer mit seinem 21. Jahrgang ein gewisses Reifealter erreicht hat?

Denn, die Ereignisse der letzen Monate zeigen es: Der Planet ächzt, Menschen und Natur leiden in Kriegen, unter Tsunamis und Atomkraftwerken. Die Katastrophengeschichte scheint unendlich zu sein. Wenn in diesen Zeit Jazz erklingt, trägt er die Erinnerung mit sich, dass die Geburt des Jazz aus dem Geist der Katastrophen, aus dem Leid und dessen Überwindung, geschah. Jazz, wie so viele Musik, entstand aus der puren Lust am Über-Leben, deshalb ist Jazz eine so machtvolle Musik.

Gleich das Eröffnungskonzert am 15. Juni im Austria City Center Vienna mit Marianne Faithfull steht unter einem guten Stern, der in Zeiten der Not umso heller scheinen muss: sie wird ihr neues Album im Rahmen eines Charity-Events für die United Nations Women’s Guild vorstellen. Diese Organisation hält ihren Schutzschild über alle weltweit in Not geratenen Kinder und Mütter. Mit diesem Eröffnungskonzert des Jazz Fest Wien wird ein Hoffnungszeichen gesetzt.

Marianne FaithfullCesaria EvoraSeun KutiDr. John (c: James Demaria Productions)Trombone Shorty (c: Kirk Edwards)

Schon am 23. Juni setzt eine weitere Diva das Engagement fort: Cesaria Evora. In ihrer Heimat, den Kapverden, wegen ihre schuh- und strumpflosen Auftritte als „barfüssige Diva“ ebenso bekannt wie für ihr soziales Gewissen, singt sie ihre grandiosen  Lieder voller Wehmut, Weltschmerz und Hoffnung nun im Wiener Konzerthaus. Mit ihren sozialkritischen Liedern und ihrem Engagement u.a. für Kinderhilfsprojekte, hat sie sich Weltruhm ersungen. Sie nach ihrem 2008 erlittenen Schlaganfall in Wien begrüßen zu dürfen, zeugt von ihrer Überlebenskraft. Genau davon singt sie, in ihren von Weltschmerz geprägten Liedern. In ihnen hallt als Echo das Leid und der millionenfach in die Welt verschleppter Afrikaner nach. Wer die Kraft zum Überleben hatte, hatte auch die Kraft, eine Musik zu entwickeln, die als Blues, Gospel, Soul oder Jazz die Welt der Musik veränderte.

Keine Frage, dass deshalb das Jazz Fest Wien mit diesem 21. Jahrgang die Maschen des globalen Musiknetzwerkes enger knüpft: die afrikanischen Roots des Jazz, die überbordende Lebenslust, die alles Leid besiegt, wird Seun Kuti & Egypt 80 mit viel Kraft im Gebläse und rhythmischen Feuer beschören. Wie sein Vater, der legendäre Fela Kuti, ist auch er ein Hoffnungsträger des jungen, neuen Afrika, das um seine Freiheit kämpft.

Vom Afrofunk ist es nur ein Taktmaß weiter zum New Orleans-Funk des legendären Dr. John und dem des jungen Shooting-Star der New Orleans-Szene, Trombone Shorty. Ihre Mixtur aus deftigem Funk-, Soul, Blues und Jazz lässt nicht vergessen, dass der Hurrikan Katrina 2005 eine Katastrophe für New Orleans bedeutete. Beide Musiker haben sich in Hilfsaktionen mehrfach engagiert. Beide Musiker wissen um den alltäglichen Rassismus in Amerika, der sich auch im Umgang mit der Naturkatastrophe bewies. Die Soullegende Bettye LaVette kann davon ebenso ein Lied zu singen wie die legendären Blind Boys Of Alabama, die wohl älteste Gospelgruppe der Welt. Sie werden das Tal der Schmerzen singend und hoffnungsfroh durchwandern, mit Gospelsongs, aber auch mit Songs von Dylan oder den Rolling Stones. Am Ende der Konzertreihe im Arkadenhof des Wiener Rathauses wird der indonesische Jazz-Pianist Dwiki Dharmawan mit seinem World Peace Ensemble in einem Freikonzert am 10. Juli den Weltfrieden mit Musik beschwören und dabei den Jazz als eine internationale Sprache der Hoffnung benützen.

Bettye LaVette (c: Carol Friedman)Dwiki DharmawanLiza MinnelliThomas Quasthoff (c: Harald Hoffmann/DG)Cyndi Lauper (c: Ellen Von Unverth)

So ist das Jazz Fest Wien das Festival derer, die ihre Stimme erheben. Ein Festival der Stimmen wäre nichts ohne Lisa Minelli. Ihre im amerikanischen Showbiz gehärtete Karriere hat sie reifen lassen, mit Glanz und Gloria wird sie zeigen, was es heißt, „on top“ des „american way of showbiz“ zu sein. Dagegen fasziniert die Art des Jazz-Gesangs, wie sie der aus der Klassik bekannte Thomas Quasthoff zelebriert, auf eine ganz andere Weise, aber sicherlich ebenso wie der Gesang von Cyndi Lauper.

Diese „immer wieder ganz andere Weise“, dieses Spiel mit dem Gleichen und Anderen macht das Geheimnis des Jazz aus. An ihm haben in diesem Jahr einmal mehr die Gitarristen ihren Anteil, ob sie nun eher leise wie Al Di Meola und Earl Klugh spielen, oder es eher krachen lassen wie Black Country Communion, die das Erbe von Led Zeppelin in der Wiener Staatsoper beschwören. Bluesrock und Blues mit John Lee Hooker Jr. und Walter Trout, leiser Folk mit Richard Thompson und William Fitzsimmons, swingender Glamour-Softrock mit Bryan Ferry, grandioser Cooljazz mit Legende Lee Konitz, moderner Singer/Songwriter-Jazz mit Madeleine Peyroux, Groove-Jazz mit dem Jazz-Wissenschaftler Ben Sidran, – die Welt des Jazz ist bunt, groß und enthält mehr Schubladen, als man schließen kann. Und wenn dann noch Sergio Mendes mit seinem lateinamerikanischen Brasil-Pop bei seinem Auftritt in der Spittelau Energie in die Fernwärme Wien einspeist, sind Lust und Laune alle Tore geöffnet.

Al Di Meola (c: Wolfgang Gonaus)Earl KlughBryan FerryMadeleine Peyroux (c: Mary Ellen Mark)Sergio Mendes (c: Andrew Southam)

Ob sich diese pure Lebensfreude erhalten lässt? Die Frage sei mit dem Hinweis auf Schlagwörter wie „nachwachsende Energien“ und „Nachhaltigkeit“ beantwortet: Auf der Summerstage haben sich die Frauen mittlerweile einen festen Stammplatz erkämpft, dieses Jahr mit Konzerten von Sabina Hank, Clara Blume und Maria Ivanova. Natürlich haben auch die Musiker der österreichischen Szene einen festen Platz auf dem Festival. Das radio.string.quartet.vienna, Saxofour, Wolfgang Muthspiel sind ebenso dabei wie musikalische Gäste aus aller Welt. Zu den Gästen aus Amerika, Kanada, Asien oder Afrika kommen zunehmend Gäste aus dem Norden Europas. In diesem Jahr sind es u.a. Terje Rypdal oder Magnus Öström (Ex-Esbjörn Svensson) Und sie alle kommen nach Wien. Mit anderen Worten: im Herzen Europas ist eine Musik nachgewachsen, die Hoffnung macht. Ganz ohne Restrisiko.
(Harald Justin)

Mehr davon? – impulse berichtet!
Termine auf www.viennajazz.org

Artikel zum Schwerpunkt: